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Herr D. und Herr Jauch

Seitenblick

Von Hans W. Korfmann

Herr D. war zwar keine Schwiegermutter, aber er mochte ihn auch, diesen Günther Jauch. Er schien so zu sein, wie er aussah. Eine ehrliche Haut. Und das im Fernsehen, vor laufender Kamera.

Glaubte Herr D. Dann stand er vor der Käsetheke in der Markthalle. Er wollte sich so einen von diesen kleinen, aber sehr feinen Ziegenkäsen holen, den er sich ab und zu einmal gönnte. Immer dann, wenn nicht zu viele Leute am Käsestand waren, die ihn hätten belauschen oder ihm über die Schulter hätten gucken können. Denn seit einige der alten Häuser des Viertels, die einst der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft gehört hatten, teuer renoviert und teuer verkauft worden waren, zogen Reiche in die bis dahin eher von Armen besetzten Häuser Kreuzbergs. Und mehr als einmal hatte man Herrn D., wenn er sich den exorbitant teuren Käse holte, angepöbelt, er sei wohl auch so einer von den neuen Eigentumswohnungsbesitzern, die den Kiez zerstören würden.

Diesmal standen lediglich zwei unauffällige Hausfrauen - gehobener Mittelstand - vor ihm, die Chancen waren gut. Die Käuferinnen beklagten sich bei der Verkäuferin, dass jetzt auch die Lebensmittel ständig teurer wurden. "Zuerst die Restaurants - die haben auf den Speisekarten Mark einfach durch Euro ersetzt! Dann kamen die Schuhläden, die Klamottenverkäufer und all die Luxusläden, und jetzt geht's ans Eingemachte. Jetzt geht's an die Regale der Lebensmittelläden. Und das nächste, das werden dann die Mieten sein."

"Genau", sagte eine Frau, die sich hinter Herrn D. gestellt hatte. "Ge-nau. Und dann können wir alle ausziehen." Herr D. sah sich nach der Frau um und überlegte, ob er nicht vielleicht doch lieber einen Leerdammer nehmen sollte.

"Na, dann müssen wir eben Lotto spielen!", sagte die Verkäuferin und schnitt ein Stück aus dem Käselaib.

"Oder bei Günther Jauch antreten!", sagte die andere.

"Quatsch", rief die Frau hinter Herrn D. "Wieso?" riefen die drei Frauen und Herr D. wie aus einem Munde.

"Mein Bruder hat da mitgemacht. Und auch gewonnen. Keine Million, aber immerhin. Nur um sein Geld musste er zittern?"

"Nee!", riefen die Frauen und Herr D. wie aus einem Munde.

"Doch. Er hat mir erzählt, dass er unterschreiben musste, er habe nur dann Anspruch auf das Geld, wenn die Sendung auch ausgestrahlt wird!"

"Und?"

"Naja, das Geld kam dann irgendwann schon", sagte die Frau.

Wirklich beruhigend fand Herr D. das nicht. Die Verkäuferin sah ihn fragend an. Herr D. entschied sich vorsichtshalber für einen Leerdamer.

Frankfurter Rundschau - 2005
© Hans W. Korfmann

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